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"Das Ende des Lodzermenschen?"
Zeitzeugengespräche
mit ehemaligen und heutigen Lodzern
Mai 2011: Studenten, Dozenten
und Bürger trafen aus Łódź stammende Zeitzeugen. Diese berichteten
über den Alltag und die verschiedenen Lebenswirklichkeiten, die vor,
während und nach dem Zweiten Weltkrieg in Łódź herrschten.
Durch die Berichte dieser Zeugen werden heutige Menschen sich vergegenwärtigen
können, was der schwere Bruch des Krieges und seine Wirkungen für
diese europäische Stadt bedeuteten - besonders für einzelne ihrer
Bewohner. Die Zeugen (darunter auch heute auswärtig lebende) sind
polnischer, jüdischer, deutscher oder gemischter Herkunft. Die Veranstaltung
stand auch außeruniversitär Interessierten offen. Das Begegnungsprogramm
war aufgeteilt in einen Seminarblock (Bericht, Fragen + Antworten)
und dem Besuch von Orten in Łódź, die den Zeugen jeweils
biographisch oder historisch wichtig sind.
  
© Marek Iwicki
www.marekiwicki.com
Zeitplan:
~ ab September 2011 bis Ende Februar 2012 Veröffentlichung von Projekterebnissen - Transkriptionen, Übersetzungen, Filmausschnitte und Fotos der Begegnungen, Ortsbegehungen und Gespräche
~ 28. Februar 2012 (ab 18 Uhr) öffentliche Vorführung einiger Projektergebnisse im Germanistischen Institut der Universität Łódź (Goethe-Saal, erster Stock)
Hintergrund:
Łódź hat eine markante polnisch-jüdisch-deutsche Geschichte, zunächst
kooperativ, dann aber zerstörerisch und gewaltsam. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts
entwickelte Łódź sich zum "Eldorado des Ostens" und wirtschaftlichen wie
kulturellen Schmelztiegel für Polen, Juden, Deutsche. In nur wenigen
Jahren entstand hier ein wichtiger Textilindustriestandort Europas,
in dem neben Kooperation auch viele Gegensätze und Konkurrenz herrschten.
Dieses intensive Mit- und Nebeneinander ließ einen Menschenschlag
entstehen, den man bald als "Lodzermenschen" bezeichnete, eine schillernde
Figur, die schwer zu greifen ist und über die Jahre und Jahrzehnte
unterschiedlich beschrieben wurde und wird - abhängig von der ideologischen,
politischen, nationalen oder zeitlichen Perspektive - mal idealisiert,
mal instrumentalisiert, romantisiert oder auch verunglimpft.
"Nationalität" schienen in Łódź viel weniger zu bedeuteten (als anderswo);
anderen Gruppen und Minderheiten stand man hier offener gegenüber (als anderswo);
man war vielsprachig, gar kosmopolitisch? Der Lodzermensch war tolerant? Anderen
gegenüber wohlwollend (was Religion oder Volkszugehörigkeit anging)? Oder ignorant und
oberflächlich? Was diesen Menschenschlag wirklich ausmachte, ist heute schwer
zu fassen. Dieses intensive Mit- und Nebeneinander zwischen Juden, Polen
und Deutschen bewahrten Łódź nicht vor dem Gewaltexzess des Zweiten Weltkriegs,
der den Untergang der Welt des "Lodzermenschen" einläutete und die Kulturen
wieder auseinandertrieb.
Angesichts der früheren engen Verwobenheit (enger als sie wohl
anderswo in einer polnischen oder europäischen Großstadt war)
scheint dieses Ende um so schmerzhafter. Nach dem Einmarsch
der Wehrmacht wurden viele Polen enteignet, ausgesiedelt, ermordet;
"Reichsdeutsche" zur Verwaltung nach Łódź beordert.
Der Riss ging auch durch die Lodzer Deutschen, einige empfanden
(als polnische Bürger) den Einmarsch als Schmach, andere
wiederum hießen die neuen Machthaber willkommen. Terror gegen
Juden und Polen regierte die Straßen. Juden wurden ins Getto
verdrängt, später Tausende in Auschwitz oder dem Vernichtungslager
Kulmhof (Chelmno) ermordet. Wie erlebten Lodzer Polen, Juden und Deutsche
dieses Ende? Wie veränderte sich die Stadt im Alltag der Menschen?
Kontakt:
Tanja Cummings:
cummings@eva-verein.de
Projektpartner:
Universität Łódź, Lehrstuhl für die Literatur und Kultur
Deutschlands, Österreichs und der Schweiz
Ansprechpartnerin: Dr. Krystyna Radziszewska
www.uni.lodz.pl
Der Achte Ozean
(Postproduktionspartner)
Förderung:
Unser Projekt wird gefördert aus Mitteln folgender Stiftungen:
Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
Rainer Bickelmann Stiftung
Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft"
(im Rahmen des Förderprogramms "Begegnungen mit Zeitzeugen")
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